Militärische und humanitäre Situation im Shan-Staat
Militärische Lage im nördlichen Shan-Staat nach dem Regierungswechsel in Naypidaw:
Burmas erste Zivilregierung seit über einem halben Jahrhundert hat vor ein paar Tagen die Regierungsgeschäfte in Naypidaw übernommen. Die NLD (National League of Democracy) im Allgemeinen und Aung San Suu Kuyi im Speziellen schweigen nicht nur zu den Greueln der Tatmadaw (burmesische Armee) gegenüber den Bewohnern der Gebiete, die vom Bürgerkrieg betroffen sind. Sie machen sogar Stimmung gegen religiöse Minderheiten wie die Rohingha, die laut UNHCR am meisten verfolgte Minderheit der Welt.
Wie geht es nun weiter? Wird nun, da die NLD im Amt ist, die Politik klarer Stellung beziehen gegen die Taten der Tatmadaw im Shan-Staat gegen die Kachin, die Palaung, die Shan und viele andere. Gegen den massenhaften Landraub durch Investoren und deren korrupte Helfer in Militär und Behörden? Werden Vergewaltiger und Mörder nun bestraft werden auch wenn sie der Armee angehören?
Hinter dem neuen Präsident Htin Kyaw wird Aung San Suu Kuyi stehen und die Fäden ziehen. Bei den einen herrscht nun Hoffnung und andere sind schon seit längerer Zeit enttäuscht von der Zurückhaltung, dem Umgang der Regierung Burmas mit den vielen Völkern ethnischer Nichtburmanen betreffend.
Am Tag der Amtseinführung: Krieg im Shat-Staat
Im größten Staat des Landes, dem Shan-Staat herrscht weiter Krieg und auch am Tag der Amtseinführung von Präsident Htin Kyaw wird dort gekämpft. Allein im nördlichen Shan-Staat ist die burmesische Armee in den letzten Jahren in bewaffnete Konflikte mit mindestens 6 verschiedenen ethnischen Armeen verstrickt.
Im nördlichen Shan-Staat operieren zur Zeit mindestens 10 Leichtinfanterie Divisionen (LID), das bevorzugte militärische Werkzeug in dieser bergigen Region. Diese bestehen aus ca. 10 Leichtinfanteriebattalionen (LIB) zu je ca. 100 Mann. Ausserdem sind überall im nördlichen Shan-Staat sogenannte Military Operation Comand (MOC) des Bureau of special operations aktiv. Jedes MOC hat die Truppenstärke einer LID, also ca. 1.000 Mann. Auch schwere Artillerie und die Luftwaffe verwandeln den Shan-Staat in eine schwer militarisierte Zone.
Ein undurchsichtiges Dickicht von Armeen im Shan-Staat
Burma bedient sich hier, wie schon so oft, einer ’Teile und Herrsche’ Taktik. Die 8 Ethnic Armed Organisations (EAO), die das National Ceasefire Agreement (NCA) unterzeichnet haben, werden gegen die Nichtunterzeichner ausgespielt und diese aufeinander gehetzt. 2011, als der vorige Präsident Thein Sein ins Amt kam, gab es Player wie die Ta’an Natioanl Liberation Army (TNLA) , die die Region jetzt zusätzlich aufmischt, noch gar nicht. Die Tatmadaw bekämpft die Kachin Independence Army (KIA) und die aus Kokang stammende Myanmar Democratic Alliance Army (MDAA). Auch die Arakan Army (AA) wird bekämpft. Und von der größten der EAO, der United Wa state Army (UWSA), die die burmesische Armee mithilfe anderer bewaffneter Gruppen zu isolieren versucht, weil sie zu groß geworden ist und die Wa eine Unabhängigkeit anstreben, war noch gar nicht die Rede. Es wird einem schwindelig bei dieser Gemengelage.
Nun stellt sich natürlich die Frage, warum ein Waffenstillstands- oder Friedensabkommen schlecht sein soll und warum man sich nicht beteiligen sollte? Burma will nicht wirklich Frieden im Shan-Staat. Es geht ihnen um Kontrolle. Verbündete in den Verhandlungen werden bewaffnet, um gegen die Nichtunterzeichner eines Abkommens zu kämpfen. Daran wird vielleicht am ehesten deutlich, daß es nicht um Frieden geht.
Es wird versucht, zu spalten und immer mehr Militär in die Region zu verlegen. Es werden Militärstraßen gebaut die offiziell die Infrastruktur verbessern sollen, aber lediglich den Truppentransport vereinfachen sollen.
Währenddessen kann ungestraft weiter Land beschlagnahmt werden, welches die vormaligen Nutzer schon seit Generationen bewirtschaftet haben. Es kann weiterhin ungestraft sexuelle Gewalt als Mittel der Kriegsführung benutzt werden. Es werden weiter Dörfer niedergebrannt um das Land Investoren zu verkaufen oder um die Bewohner zu bestrafen.
Mehr Vertriebene als je zuvor
Bis Ende 2015 ist die Zahl der im eigenen Land Vertriebenen, der sogenannten Internal Displaced Persons (IDP) auf 662.000 angestiegen. Sie verstecken sich entweder irgendwo in den Bergen oder leben in Camps, die regelmässig angegriffen werden und aus denen sich die Tatmadaw bedient, wenn sie Träger oder andere Zwangsarbeiter braucht.
Diese furchtbar hohe Zahl ist vor allem wegen des Konfliktes der Kachin mit den Burmesen und dem im Kokang-Gebiet an Chinas Grenze zwischen Burmesen und der MDAA um ca. 70.000 auf besagte 662.000 angestiegen.
Wie man sieht, stellt sich nicht die Frage, ob denn nun, da in Burma die NLD an der Macht ist, nicht alle wieder nach Hause gehen um friedlich in ihren Dörfern leben zu können. Sollte der Konflikt sich in den südlichen Shan-Staat ausdehnen, was niemand vorhersagen kann, steht sogar eine noch viel größere humanitäre Katastrophe ins Haus. Wir alle hoffen und wünschen dem Land und der Region, dass es Wege geben wird, die Konflikte zu lösen. Zumindest muss man sagen, dass es kontinuierlich Treffen gibt und das miteinander geredet wird.
Mehr Demokratie in Zentralburma aber gleichbleibend viel Leid bei ethnischen Minderheiten
Nun hoffe ich, dass einem beim Lesen nicht schwindelig geworden ist, von all den Kürzeln, Gruppen und Grüppchen. Mir liegt nur daran, zumindest zu versuchen, eine Idee von der Lage im Shan-Staat zu geben. Leider erfahren wir aus der deutschen Presse rein gar nichts. Wen interessiert schon der Shan-Staat?