Projektbesuche 2015, 19.05.

Von Ban Thoed Tai geht es heute zunächst in die Distrikthauptstadt Fang. Durch die atemberaubende Bergwelt Nordthailands zu fahren ist mit Worten nicht wiederzugeben. Eine wilde Schönheit. So grün, daß es schon weh tut. Und extrem Kurvenreich ist sie auch. Die Menschen und Dörfer, die wir passieren, sind so anders als meine Welt in Deutschland, daß mir auch nach über 23 Jahren, die ich die Gengend hier kenne, immer noch fasziniert bin.

Unser heutiges Ziel istdas Flüchtlingscamp Loi Sam Sip, nordwestlich der Stadt Fang. Wir haben eine Spende erhalten, die wir hier nach eigenem Ermessen für eine besonders dringende Sache ausgeben dürfen. Und da fällt uns sofort Loi Sam Sip ein. Das kleine Dorf liegt in Burma umringt von Stellungen zweier verschiedener Milizen der Wa, der burmesischen Armee, und einer Gruppe der PLA (Pao Liberation Army). Auf der Thaiseite sind die Thaisoldaten und die eigenen Soldaten der SSA stehen im Camp. Loi Sam Sip wird immer wieder bedroht. Die Region ist extrem sensibel und uns wird von einem kroatischen Offroadbiker, der hier unterwegs war, erzählt, daß die Wa vor einiger Zeit einen ausländischen Biker einen Monat lang in Geiselhaft hielten.

In dieser Situation leben die Menschen von Loi Sam Sip also und besonders die Kinder leiden unter der absoluten Unterversorgung des Dorfes mit allem. Es gibt keinen, der hier hilft. Es sind immer wieder nur temporäre kleinere Spenden, wie unsere, die kurz helfen. So werden die billigen thailändischen Mama Instant Nudeln oft genug zur einzigen Nahrungsquelle. Reis gibt es und es können geringe Mengen Gemüse und Früchte im Ort angepflanzt werden.

Aber zurück zu unserer Reise. Wir kommen nach einem tollen Ritt aus den Bergen also in Fang an. Ingo und ich enscheiden uns die Spende noch aufzustocken und nun Großeinkauf zu machen. Die Entscheidung steht an: Markt oder Supermarkt. Markt ist definitiv viel besser, da  so, lokale Bauern und Markthändler profitieren. Supermarkt wäre besser, weil wir hier alles an einem Ort finden, keine Zeit mit handeln verbringen und sehr viel Zeit sparen. Da Zeit leider eines unsere Probleme heute ist, entscheiden wir uns für die Supermarktvariante. Im Supermarkt gibt es ausserdem Aircondition.

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beladen unseres Pick Up

Um 21:00 müssen wir in Chiang Mai am Flughafen sein und einen Freund und Unterstützer abholen, der uns und unsere Projekte hier mit uns besuchen möchte.

In ca. 1 1/2 Std. haben wir unser und das gespendete Geld ausgegeben. Fischsauce, Sojasauce, Eier, Dosenfisch, Öl, Zwiebeln, Knoblauch, zwei große Transportkisten, frischen Fisch und frisches Fleisch zum heute und morgen zubereiten, Kokosmilch, Milch ……….. Es müssen Dinge sein, die haltbar sind. Es gibt dort keine Möglichkeit etwas zu kühlen. Für den Fisch und das Fleisch schenken sie uns im Supermarkt eine große Styroporkiste mit Crasheis.

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erster Blick Loi Sam Sip

Nachdem wir alles auf unser Pick Up verladen haben, holen wir einen weiteren Freund ab. Er fungiert als Verbindungsmann zwischen SSA (Shan State Army) und der Thai Armee sowie zu den verschiedenen NGO’s. Ich kenne ihn auch schon viele Jahre. Ein angenehmer Reisegefährte, der eigentlich immer lacht. Nennen wir ihn Sai Harn. Ein weiterer Mann sitzt vor dem Haus von Sai Harn. Er reagiert auf unsere Begrüßung in Shan zunächst nicht, stellt sich dann aber als Mitglied der königlich thailändischen Armee vor. Special Branch. Geheimdienst, heute mal weniger geheim. Er soll sicher gehen, daß wir keine Waffen oder ähnliches über die Grenze bringen. Das ist ihr gutes Recht, finde ich und der Herr erweist sich im Verlauf auch noch als durchaus zuänglicher Zeitgenosse. Wir erfahren hier auch, daß wir selbst heute nicht über die Grenze dürfen. Schade aber es geht uns ja auch darum, daß unsere Spende die Kinder erreicht, nicht wir. Er fährt uns voraus Richtung Grenze. Nach einem Anstieg und der Fahrt durch ausgedehnte Orangenplantagen kommen wir auf die alte Militärstrasse, die uns bis nach Loi Sam Sip führen wird. Bei der Fahrt durch die Plantage nehmen wir den Gestank von Pestiziden war. Sai Yawd erzählt uns, dass die hier massiv verwendet werden und die Krebsrate unter den Burmesen, die in diesen Plantagen arbeiten, steil ansteigt.

Die Strasse steigt auch stark an und verläuft nun viele Kilometer lang genau auf der Grenze. Schauen wir nach rechts, ist dort Thailand, schauen wir nach links, geht der Blick viele Kilometer in die Shanberge. Hier muss der Wagen alles geben und es riecht im Auto nach Gummi. Anstiege, die Mann nur als ‚Klettern‘ bezeichnen kann lassen uns mit dem Motor mitleiden.

Dann die Strassensperre und thailändische Soldaten. Wir werden aufgefordert auszusteigen und unsere Pässe abzugeben. Die Soldaten haben große Mühe unsere Familiennamen auf ein Din-A-4 Blatt zu schreiben (aber ich schreibe die Thaischrift ja auch nicht). Dieses Blatt sollen wir uns vor die Brust halten und es wird je ein Foto gemacht. Was soll das jetzt? Links von der Strasse geht zwischen Zentnerweise Stacheldraht ein Schlagbaum hoch und ein Pick Up kommt von burmesischer Seite dazu. Es ist der Lehrer aus Loi Sam Sip mit seinen beiden Kindern. Jetzt helfen uns die Thaisoldaten die gekauften Lebensmittel umzuladen. Wir beginnen uns zu unterhalten. „Hast auch Kinder?“ Wieviele?“ „Wo kommst du her?“ „Und du?“ Die Atmosphäre ist plötzlich richtig freundschaftlich und völlig überraschend sagen uns die Soldaten, daß wir die Grenze passieren dürfen, mit der Auflage, nicht den halben Tag dort zu verbringen, was wir auch nicht vorhaben. Es werden Fotos gemacht ich stelle mal wieder fest, wie groß der Unterschied ist zwischen Soldaten und Polizei hier im Land. Mit Thaisoldaten habe ich fast nur gute Erfahrungen. Wir schenken ihnen noch ein Packet Birdy 3 in 1 Kaffee und fahren unter dem Schlagbaum durch ein zweites Mal in zwei Tagen über die Grenze in den Shan Staat.

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unerwrtete Hilfe beim Umladen an der Grenze

Loi Sam Sip macht auf den ersten Blick einen etwas besseren Eindruck auf mich als bei meinem letzten Besuch. Nur ein Eindruck. Vor der Schule werden nun die ca. 30 Kinder zusammengerufen und beginnen sich in zwei Reihen aufzustellen. Wir sagen dem Lehrer, daß wir gerne auf die Show  – der weisse Weihnachtsmann verteilt Gaben an die Armen und Bedürftigen – verzichten würden und er möchte doch die Kinder bitte wieder zum Spielen schicken. Es ist mir immer sehr unangenehm, wenn sich jedes Kind mit aneinandergelegten Handflächen, die Hand zum ‚Wai‘ haltend, bedanken soll. Wenn nach den Ferien wieder alle Kinder aus dem Shan Staat zurück sind, werden es um die 50 sein.

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glückliche Kinder sehen anders aus
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Eingangstor an der Grenze

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Ein Gruppenfoto machen wir aber noch. Die Kinder hier wirken anders als an anderen Orten vor oder hinter der Grenze, die wir besucht haben bzw. besuchen werden. Sie lachen weniger und sind offensichtlich sehr klein und schmal für ihr jeweiliges Alter. Der Lehrer erzählt uns, das dies Folgen der andauernden Mangelernährung sind. Ein Zustand also, der sich seit Jahren nicht gebessert hat. Es ergibt sich einfach nicht, daß hier jemand dauerhaft zu helfen bereit ist.Sei es, weil zu viel Militär in der Gegend und im Dorf ist (was haben die Kinder damit zu tun??). Es gab auch schon potentielle Spender, die nicht genug gewürdigt und gebauchpinselt wurden. Ein großes Begrüßungsschild für den Sponsor und ein bescheidenes kleines Fest zu seine Ehren muß schon drin sein. Wir haben dies erlebt. In Loi Sam Sip noch Tränen der Betroffenheit und auf dem Rückweg im Auto wieder Gespräche über Nagelpflege. Wir selbst haben leider nicht das Spendenaufkommen um hier ein neues Projekt zu beginnen. Deshalb diese kleine Lebensmittelspende aus der sich übrigens schon eine weitere, größere ergeben hat. Ausserdem treffen wir gleich jemanden, der evtl. helfen kann. Wir haben Hoffnung.

Der Lehrer führt uns noch durch alle Schulgebäude. Wir sehen die Unterkünfte der Waisen, die Schuleigene Pilzzucht, Lagerräume, Küche………. Es gibt für all dies keine Sponsor und wir können uns gar nicht vorstellen, wie das funktionieren soll. IMG_1326 Kopie

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Jetzt können wir uns nur noch schnell voneinander verabschieden und dann rauf auf das Pick Up und zurück zu unserem eigenen Wagen. Hier verabschieden wir und von den freundlichen und hilfsbereiten Soldaten, bringen unseren Sai Harn wieder zurück nach Hause und setzen unseren Weg nach Chiang Mai fort. Ein langer Weg an dessen anderen Ende ich wirklich und gar überhaupt nicht mehr sitzen kann.

beziehen unsere Zimmer im Galare G.H. und fahren weiter zum Flughafen unseren Freund und Unterstützer, Detlef abholen. Wir werden die nächste Wochen zusammen verbringen.

 

P.S. Von 600 Eiern die wir auf dem Höllenritt hoch an die Grenze transportiert haben, ist nicht eines kaputtgegangen. Ich hatte vorher mit unserem Begleiter gewettet, dass es mindestens die Hälfte erwischt.

Marcus Mitwollen
Marcus Mitwollen

Marcus ist seit 2006 im Verein tätig und war schon Mitglied bei 'Helfen ohne Grenzen Deutschland'. Er ist verheiratet, hat zwei Söhne und lebt in Bremen. Von Beruf ist er Intensiv/Anästhesiepfleger im Schichtbetrieb und Bewegungslehrer. Im Verein ist er fast von Beginn an im Vorstand aktiv. Die thailändisch/burmesische Grenzregion kennt er seit 30 Jahren und spricht leidlich Thai. Ihn hat man am Telefon wenn man between-borders anruft.

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