In Ban Thoed Tai
In den letzten Tagen bin ich mit meinem Freund Tom und seinem Sohn Alex von Chiang Rai aus mit dem Mietmoped wieder zurück nach Norden an die Grenze. Unser Ziel war Ban Thoed Tai, dass früher Ban Hin Taek (siehe auch ausführlicher Reisebericht in thai-tee-blog)hiess und in den 70er und 80r Jahren das Hauptquartier der MTA (Mong Tai Army) des berüchtigten, Khun Sa s. u., war. Die Strecke führt durch eine der schönsten Landschaften Thailands. Aber nach Sonnenuntergang ist sie eine ganz besondere Erfahrung. Da liegt z. B. plötzlich ein Häufchen Mensch mitten auf der Strasse und schläft tief. Er taucht hinter einer Haarnadelkurve im Dunkeln auf. Ich wecke ihn. Der Mann scheint völlig auf Drogen oder Alkohol zu sein und nur mit Mühe kann ich ihn dazu bewegen, doch besser neben der Strasse weiter zu schlafen. Oder es tut sich aus dem Nichts ein Loch im Asphalt auf und man muss schon sehr konzentriert fahren bei diesen Steigungen und Kurven und dann geht es ja meist auch wieder steil bergab. Aber wir kommen heil in Thoed Tai an und nach vielem hin und her durch die drei Geusthouses des Ortes, können wir schliesslich im Taan Rim G.H. einchecken. Es liegt am Fluss, den man die ganze Nacht rauschen hört und ist wunderschön.
Ban Thoed Tai liegt nicht weit von der Stelle entfernt, an der wir über die Grenze gehen, wenn wir Loi Kaw Wan im Shan-Staat besuchen (wie ich – gerade Tags zuvor). Und doch sollen diese zwei Tage einmal keine Vereinsarbeit sein. Ich verbringe hier ja auch schliesslich meinen Erholungsurlaub. Da werden mir zwei Tage für mich verziehen sein. Aber da ich hier in Thoed Tai bzw. drüben in Koi Kaw Wan schon häufig war, rechne ich fest mit einem Anruf oder einem Besuch unserer Freunde.
Eigentlich gleichzeitig mit uns trifft Nang Homm im Guesthouse ein. Sie hat gehört, dass ich unterwegs bin und wollte mich gerne treffen. Nang Homm ist in der Mae Tao Clinic in Mae Sot zur Hebamme ausgebildet worden. Sie ist als Shan und Flüchtling in Loi Kaw Wan zu Hause und war die Camphebamme. Aktuell hat sie ein Stipendium für ein Bachelor Studium in Nursing Science an der Assumption Universität in Bangkok und ist nach dem Semesterende in Loi Kaw Wan zu Besuch. Nun sind wir zu viert und gehen nebenan im chinesischen Thing Thing Restaurant essen. Natürlich hofft sie darauf, dass wir sie unterstützen, da auch sie sich um einen neuen Sponsor für ihr Studium kümmern muss. Leider muss ich ihr absagen. Schliesslich mussten wir gerade zwei Stipendien beenden wegen fehlender Spendeneingänge. Sie ist aber zuversichtlich und nach dem Essen wünsche ich ihr viel Glück. Wir stehen über unsere Arbeit sowieso in Kontakt und ich werde sicher bald erfahren, ob und wann es geklappt hat mit einem neuen Sponsor.
Am nächsten Morgen um 7:30 klopft es an der Tür meines Hüttchens. Kham Saen ist gekommen. Auch sie ein alte Freundin. Sie war lange Zeit die leitende Krankenschwester in die Loi Kaw Wan Feldklinik. Dann wurde vor einigen Jahren ihr Mann schwer krank und sie musste ihn 24 Std/ tgl. pflegen. Sie war völlig verzweifelt und wusste nicht wie sie weiter über die Runden kommen sollten. Wir haben sie in dieser Zeit finanziell unterstützt und ich kann sagen, dass es Tuen Kham wieder wirklich gut geht. Er geht morgens früh stundenlang durch den Ort spazieren. Im Trainingsanzug. Er macht also Sport. Ich erinnere mich an die Zeit, in der es ihm so schlecht ging. Ich dachte wirklich, dass er nicht mehr lange leben würde. Und nun sitze ich in seinem Haus und ich lache mit ihm. Kham Saen hat mich natürlich eingeladen. Tom Und Alex sind schon weiter gefahren nach Doi Mae Salong, Tee kaufen. Ich sitze also mit Tuen Kham und Kham Saen zusammen und wir unterhalten uns über unseren Freund Karl. Beide sind ihm unendlich dankbar, denn er war es, der die Hilfe für sie durch uns angeschoben hatte. Plötzlich steht ein blonder Riese im Garten. Ich kenne ihn, bzw. habe ihn schon im Shan-Staat getroffen. John, ein Schwede, der in seiner aktiven Zeit als Soldat wohl irgendein Trauma erlitten haben muss. Er hat gehört, dass ich im Ort bin und wollte mich fragen ob ich mit ihm über die Grenze gehe. Er sei grad aus dem Kachin Gebiet zurück wo er in seiner Funktion als ‚Kommandeur bei der Shan State Army‘ einen Monat lang gekämpft hätte. Dafür sind seine Fussnägel meiner Meinung nach allerdings definitiv zu lang. Das hält so sicher niemand aus. Nun ist er unterwegs zu irgendwelchen ‚geheimen Treffen‘. Ein bedauernswerter Mensch. Seine Arme sind über und über mit militärischen Tatoos der Shan State Army versehen. In der Vergangenheit habe ich mich schon öfter gefragt, wie solch ein Mensch hier her kommt und was für ein Glück er hat, dass er sogar auf der anderen Grenzseite, von der SSA toleriert wird. Er salutiert vor uns und geht wieder seines Weges. Eine von so vom Militär geprägte Region zieht schon merkwürdige Leute an.
Ban Thoed Tai ist vor allem von seinen chinesischen Bewohnern und den Shan geprägt. Mit thailändisch kommt man hier nicht immer weiter. Aber auch viele Menschen von den Stämmen der Akha und Lisu kommen auf den täglichen Markt und sogar Yao sieht man hier.
Nachmittags habe ich mir das ehemalige Hauptquartier der MTA (Mon Tai Army) angesehen. Hier war und ist ihr Führer Khun Sa immer noch ein Held.
Für die einen war er der größte Drogenbaron seiner Zeit, für die anderen ein Freiheitskämpfer. Er war Shan/Chinese und ganz sicher eine illustre Gestalt der Geschichte. In den ersten Jahren, in denen ich diese Region besuchte, Anfang der neunziger, war er fast allgegenwärtig. Macht euch selbst ein Bild. Ich jedenfalls dachte mir, wenn ich schon mal hier bin besuche ich auch das ‚Khun Sa Museum‘, wie es heute heisst. Leider ist die Beschriftung der vielen Bilder und Karten nur in burmesischer bzw. Shan Schrift. Aber Kham Saen hat mir vieles erklären können.
Dann sind Tom und ich hinter dem Khun Sa Camp in die Berge hoch gefahren, weil uns gesagt wurde das es wilde Teegärten zu sehen gäbe. Wild war es. Ein Offroadtrip at it’s finest. Wir entdeckten neben der atemberaubenden Landschaft, eine Drogenentzugsanstalt am Ende der Welt und das Grab eines koreanischen Geschäftsmannes, der hier wohl einmal die meisten Teegärten besessen hatte. Nun liegt er, wohl vergessen, dort n den Bergen zwischen den Grenzen in einer Art Mausoleum begraben.
Am Abend laden mich Freunde ein, mit ihnen zu einem buddhistischen Zentrum ausserhalb des Ortes auf einem hohen Berg zu kommen. Hier findet gerade ein Treffen der verschiedenen buddhistischen Schulen mit einer zwei tägigen Feier statt. Neben den hier allgegenwärtigen thailändischen Mönchen, die dem traditionalistischen Therravada Buddhismus angehören, waren viele Mönche aus Buthan, die dem Mahajana bzw. dem Hinajana Buddhismus angehören, zu Besuch.
Es wurden große Laternen mit Wünschen in den Himmel entlassen. Traditionelle Shan Pfauen- und Rehtänze, Thaicomedy und Thaioper wurden aufgeführt. Aber vor allem werden hier auch Mönchsroben genäht, in großen Pfannen gefärbt und dann den Mönchen übergeben. Ein schöner Abend mit guten Freunden.
Heute habe ich Ban Thoed Tai verlassen und mich durch die Berge auf den Weg nach Doi Mae Salong gemacht um Tom und Alex abzuholen. Nach gefühlt zwei Litern Tee, den es hier zu verköstigen galt, fuhren wir zurück nach Chiang Rai und nahmen den Bus nach Chiang Mai. Dort sitze ich nun seit Stunden und schreibe euch von den letzten drei Tagen. Morgen früh treffe ich den Enkel der Besitzerin des Resorts in dem wir das Waisenhaus in Planung haben. Ich sehe bisher alles sehr offen. Ob ein Kauf durch unseren Unterstützer zustande kommt, hängt nun ganz stark von dem morgigen Gespräch ab und dem Eindruck, den ich übermorgen vor Ort, in Mae Hong Son haben werde. Ausserdem von der Bereitschaft unserer Partner und Sai Yawd gemeinsam, für dieses Projekt zu arbeiten und es zum Leben zu erwecken.
Ein langer Bericht von meinen letzten 3 Tagen. Nun lass ich euch aber in Ruhe und melde mich, wenn es etwas Neues gibt.
Marcus